Minimaler Brustabstand erklärt maßgeblich die individuelle Dosis-Variabilität in der kontralateralen Brust bei Brustkrebsstrahlentherapie

Brustkrebs ist die am häufigsten auftretende Krebsart bei Frauen weltweit. Glücklicherweise sind die Heilungschancen gut, wenn der Krebs frühzeitig diagnostiziert wird. Gewöhnlich wird die Behandlung mit brusterhaltender Chirurgie und anschließender unterstützender Bestrahlung der gesamten Brust durchgeführt. Die Brustkrebsstrahlentherapie reduziert die lokale  Rezidiv- und Mortalitätsraten, langfristig gesehen, erhöht die Bestrahlung allerdings auch das Risiko für das Auftreten von sekundären Krebserkrankungen, besonders in der Lunge und der gegenüberliegenden Brust, und auch die Sterblichkeit an Herzerkrankungen, hauptsächlich für Patientinnen mit linksseitigen Brusttumoren. Die Vorteile der Strahlentherapie überwiegen deutlich die damit verbundenen Risiken. Da die Heilungsrate der Patientinnen und ihre Lebenserwartung weiter steigt, gewinnen diese langfristigen Risiken jedoch immer weiter an Bedeutung.

Das Risiko durch die Strahlenbehandlung variiert sehr stark unter den einzelnen Patientinnen und wird durch Faktoren wie Alter, Rauchverhalten und andere Lebenstilumstände, sowie durch die genetische Prädisposition beeinflusst. Das Risiko ist davon abhängig, welche Dosen in den verschiedenen bestrahlten Organen auftreten. Besonders die Exposition des Herzens, der ipsilateralen Lunge und der kontralateralen Brust sind mit relativ hohen Risiken behaftet. Diese Organdosen variieren mit der Anatomie der Patientinnen. Die maximale Herzdistanz und die zentrale Lungendistanz, definiert durch den Anteil des jeweiligen Organs im Strahlenfeld, dienen als nützliche anatomische Maße, die größtenteils mit den mittleren Dosen in Herz und Lunge korrelieren. Allerdings wurde noch kein solches Maß definiert, das es erlaubt, die Variabilität der Dosis in der kontralateralen Brust zu beschreiben.

Im PASSOS-Project wurden die Bestrahlungspläne für 128 Patientinnen im frühen Brustkrebsstadium in zwei Strahlentherapiezentren gesammelt. Die Dosen in der kontralateralen Brust der jeweiligen Patientinnen reichten von 0,2 bis 1,6 Gy für die 3D konformale Strahlentherapie ohne Keilfilter. Die Anwendung der Keilfilter führte zu einem Anstieg von 0,2 – 0,4 Gy. Eine Bestrahlung ohne Ausgleichsfilter reduzierte die Werte um 0,1 – 0,2 Gy. Die intensitätsgesteuerte Strahlentherapie führte zu Dosen in der kontralateralen Brust von 1 – 7 Gy.

Um die individuelle Variabilität in der kontralateralen Brust beschreiben zu können, wurden zahlreiche anatomische Merkmale von den CT Daten der Patientinnen herangezogen und getestet, ob sie als Dosiseinflusswert geeignet sind. Der minimale Brustabstand, definiert in Analogie mit den obengenannten Maßen als Abstand der kontralateralen Brust zum tangentialen Strahlenfeld, wurde als anatomisches Merkmal gefunden, das stark mit der kontralateralen Brustdosis korreliert, und bis zu 60% der Abweichungen erklärt. Die kontralateralen Brustdosen fallen exponentiell mit anwachsenden minimalen Brustabstand, mit etwa 10-15% pro 1 cm. Weitere dosis-volumetrische Maße, wie z.B. die Dosis zu dem am meisten bestrahlten 1% der kontralateralen Brust oder ihrem Anteil, der 0.5 Gy an Dosis erhält, sind ebenfalls mit dem minimalen Brustabstand korreliert.

Fig.1: Die individuelle Variabilität der kontralateralen Brustdosis aufgetragen gegen den minimalen Brustabstand. Dargestellt ist die Modelanpassungslinie der mittleren kontralateralen Brustdosis bei Ganz-Brust-Bestrahlung ohne Ausgleichsfilter für 78 Brustkrebspatientinnen im Frühstadium behandelt an der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie der Universität Leipzig (Quadrate).

Diese personalisierten Abschätzungen der kontralateralen Brustdosis können helfen, verbesserte Aussagen für die retrospektive Analyse von Daten in Bezug auf Langzeitrisiken durch die Strahlentherapie zu treffen. Die Abschätzungen können sich ebenfalls als hilfreich in Zentren erweisen, die keine routinemäßige Konturierung oder Dosimetrie dieses Organs erfassen. Am bedeutendsten aber sind diese Dosisabschätzungen in Hinblick auf die Risikostratifikation für die Patientinnen und eine effiziente Anwendung der die kontralaterale Brust schonenden Techniken. 

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Publikation:

Kundrát P et al. Minimum breast distance largely explains individual variability in doses to contralateral breast from breast-cancer radiotherapy. Radiother Oncol (2018), https://doi.org/10.1016/j.radonc.2018.08.022

Kundrát P, Remmele J, Rennau H, Sebb S, Simonetto C, Eidemüller M, Wolf U, Hildebrandt G. Inter-Patient variability in doses to nearby organs in breast-cancer radiotherapy: Inference from anatomic features. Radiat Prot Dosimetry. 2019;183(1-2):255-258